Zwei junge Erwachsene sitzen im Supermarkt auf dem Boden und stopfen sich hemmungslos Chips und andere hochverarbeitete Lebensmittel in den Mund.

Essen, das süchtig macht

Naturmedizin 2/2024

Hochverarbeitete Lebensmittel haben ein hohes Abhängigkeitspotenzial

Damit nicht mehr so viele Betroffene durchs Raster fallen und eine adäquate Therapie gewährleistet werden kann, fordert eine internationale Arbeitsgruppe eine neue Diagnose: die „Sucht nach hochverarbeiteten Lebensmitteln“ (UPF-Sucht).

Eine Analyse von 281 Studien aus 36 Ländern ergab, dass die gepoolte Gesamtprävalenz von Esssucht bei Erwachsenen 14 % und bei Kindern 12 % beträgt (bewertet anhand der Yale Food Addiction Scale) – und damit vergleichbar ist mit Alkohol- oder Nikotinabhängigkeit. Vor allem UPF (ultra-processed foods) sind am stärksten mit den Verhaltensindikatoren für „Sucht“ assoziiert: exzessiver Konsum, Kontrollverlust über den Konsum, intensives Verlangen und anhaltender Konsum trotz negativer Auswirkungen. Laut Kritiker:innen des Konzepts der „UPF-Sucht“ machen die bestehenden Diagnosen für Essstörungen die Notwendigkeit einer neuen Diagnose für die Sucht nach UPF überflüssig. Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede in der geschätzten Prävalenz von anerkannten Essstörungen und einer UPF-Sucht (14 % für UPF-Sucht und ca. 1 % für Binge-Eating-Störung). Ein erheblicher Teil der Patient:innen mit problematischem Essverhalten wird im derzeitigem Diagnoserahmen nicht erfasst. Dies ist besorgniserregend, da viele Menschen mit UPF-Sucht über klinisch signifikante Probleme berichten und neurobiologische Unterschiede zu Menschen ohne Esssucht aufweisen – selbst wenn sie die Kriterien für anerkannte Essstörungen nicht erfüllen. Raffinierte Kohlenhydrate oder Fette rufen im Striatum ähnliche Mengen an extrazellulärem Dopamin hervor wie Nikotin und Alkohol. Zusätzlich scheint das Verhältnis von raffinierten Kohlenhydraten und Fetten (1 : 1) in UPF das Belohnungssystem des Gehirns zu stimulieren und das Suchtpotenzial dieser Lebensmittel zu erhöhen. Die Geschwindigkeit, mit der die UPF Kohlenhydrate und Fette in den Darm transportieren, könnte außerdem zu ihrem Suchtpotenzial beitragen.

Quelle: Gearhardt AN et al.: Social, clinical, and policy implications of ultra- processed food addiction. BMJ 2023; 383: e075354
ICD-Codes: E11
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