Darmflora und Gesundheit der Leber

Naturmedizin 5/2022

Mit dem Mikrobiom ein Blick in die Glaskugel

Das menschliche Mikrobiom kann Auskunft darüber geben, ob die Gefahr einer nichtalkoholischen Fettleber besteht. Das hat ein internationales Team unter Leitung des Leibniz-Instituts herausgefunden. Die Forschenden entwickelten ein Modell, das anhand der mikrobiellen Zusammensetzung im Darm den möglichen Verlauf der Krankheit vorhersagen kann. Die Studie wurde in Science Translational Medicine publiziert.
Ein internationales Forschungsteam um Gianni Panagiotou, Forschungsgruppenleiter für Systembiologie und Bioinformatik am Leibniz-HKI, hat in einer Langzeitstudie Stuhl- und Blutproben von 1.200 Personen analysiert, die nachweislich nicht an nichtalkoholischer Fettlebererkrankung (NAFLD) erkrankt waren. „Es ist bereits erwiesen, dass die Mikroorganismen im Darm des Menschen zur Entwicklung von NAFLD beitragen. Wir wollten herausfinden, ob sich anhand des Mikrobioms eines gesunden Menschen prognostizieren lässt, ob dieser zukünftig an NAFLD erkranken wird oder nicht“ erklärt Panagiotou. Dafür wurden die Proband:innen 4 Jahre später erneut untersucht. 90 von ihnen waren in der Zwischenzeit an NAFLD erkrankt. Diesen Personen wurden erneut Proben entnommen und mit denen einer Kontrollgruppe von ebenfalls 90 Personen verglichen, die weder bei der Erst- noch bei der Nachuntersuchung an NAFLD litten. „Mithilfe verschiedener Methoden konnten wir sehr feine Unterschiede in den 4 Jahre zuvor abgegebenen Proben finden“ erklärt Erstautor Howell Leung aus der Panagiotous Gruppe am Leibniz-HKI. „Mit diesen Daten konnten wir ein Modell entwickeln, das anhand des Mikrobioms mit 80 % Sicherheit prognostizieren kann, wer zukünftig an NAFLD erkranken wird“, erläutert Leung weiter. Aktuell gibt es klinische Modelle, die mittels biochemischer Parameter im Blut eine Prognose mit einer Genauigkeit von 60 % tätigen. „Das von uns entwickelte Modell kombiniert leicht messbare Informationen aus dem Blut mit Daten aus dem Mikrobiom und kann somit die Zuverlässigkeit enorm erhöhen,“ sagt Studienleiter Panagiotou.
 
Krankheitsprognose durch maschinelles Lernen
Das Forschungsteam entwickelte ein sogenanntes Machine Learning Modell – ein Computermodell, das darauf trainiert wird, in einer Datenmenge bestimmte Muster wiederzuerkennen. Diese Muster kann das Modell dann verwenden um vorher unbekannte Daten zu analysieren und eine mögliche nichtalkoholische Fettlebererkrankung vorherzusagen. „Der gesamte Prozess der Entwicklung unseres Modells erstreckte sich aufgrund der Komplexität der Daten über 3 Jahre. Am Ende waren wir aber erfolgreich und konnten ein nützliches Werkzeug zur Prognose von NAFLD schaffen“, sagt Panagiotou. Die nichtalkoholische Fettlebererkrankung ist irreversibel und kann in schlimmen Fällen sogar zu Leberkrebs führen. Menschen, die bereits an einer Vorstufe leiden oder besonders gefährdet sind, müssen daher frühzeitig identifiziert werden, um der Krankheit entgegenwirken zu können. „NAFLD ist eine stille Krankheit. Das bedeutet, dass sie in den meisten Fällen asymptomatisch verläuft und meist nur zufällig erkannt wird“, erklärt Gianni Panagiotou. Die Zahl der an NAFLD erkrankten Deutschen wird auf ca. 12 Millionen geschätzt. Besonders betroffen von Fettlebererkrankungen sind Menschen mit Vorerkrankungen wie zum Beispiel Diabetes Typ 2, Adipositas, Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörungen.
„Ich sehe die Mikrobiom-basierte Diagnostik als etwas, das in den nächsten 10 Jahren die klinische Praxis erreichen und ein großes Potenzial entfalten wird“, ist Panagiotou überzeugt. Die frühzeitige Behandlung der Risikofaktoren einer nichtalkoholischen Fettlebererkrankung, wie zum Beispiel Diabetes Typ 2, Bluthochdruck und Adipositas, könnte die Entwicklung der Krankheit anhalten.
Quelle: Leung H et al.: Risk assessment with gut microbiome and metabolite markers in NAFLD development. Science Translational Medicine, (2022). https://doi.org/10.1126/ scitranslmed.abk0855

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