Helleborus niger in der komplementären Krebstherapie

Naturmedizin 1/2022

Die Christrose: botanisches Phänomen mit therapeutischem Potenzial

Sie ist wirklich eine erstaunliche Pflanze: Während die Natur ringsum ihren „Winterschlaf“ hält, steht die Christrose mitten in ihrer Blüte. Die immergrüne Pflanze mit dem botanischen Namen Helleborus niger trotzt Kälte und Dunkelheit: Ihre Blütezeit reicht von Dezember bis Februar, sie wird daher auch „Schneerose“ genannt. Mit dieser starken Lebens- und Widerstandskraft und ihrer leuchtenden, aufrechten Blüte ist die Christrose in trister, grauer Zeit eine echte Mutmacherin.
Doch nicht nur das macht sie zu etwas Besonderem: Die unter Naturschutz stehende Wildform kennt keine Hektik: Sie bildet erst nach etwa 4 Jahren ihre erste und dann jährlich meist nur eine einzige Blüte aus. Auch hier beeindruckt die Christrose mit ihrer Lebenskraft, denn sie erreicht in Höhenlagen von bis zu 2.000 Metern ein stolzes Alter von rund 20 Jahren. Christrosenblüten verwelken nicht! Sie werden zu grünem Laub und schützen die heranwachsenden Früchte.
Die Christrose stammt ursprünglich aus den östlichen Kalkalpen, bevorzugt halbschattige Buchen(misch)wälder und verfügt über ein ausgeprägtes Wurzelwerk. Diesem dunklen Rhizom und dem beißenden Geruch des zerriebenen Wurzelstocks verdankt die Wildpflanze auch einen weiteren Namen: „Schwarze Nieswurz“; denn das gemahlene Rhizom wurde einst als Niespulver verwendet.
 
Heilkraft in Wildform
Die Wildform der Christrose enthält ein breites Spektrum an Wirkstoffen, welche sowohl auf psychischer als auch auf physischer Ebene aktiv werden. Eine der pharmakologisch aktiven Substanzen ist das Steroidhormon beta-Ecdyson, dem psychosomatische Effekte sowie eine zytotoxische Wirkung zugeschrieben werden, während beispielsweise Steroidsaponine verstärkten Einfluss auf die körperliche Ebene haben und antiödematös sowie entzündungshemmend wirken.
Um die pharmakologisch aktiven Substanzen von Helleborus niger bestmöglich für den Einsatz in der integrativen Onkologie aufzubereiten, sollten einige Voraussetzungen erfüllt werden. So sind Ernteort und -zeitpunkt, die verwendeten Pflanzenteile sowie der Herstellungsprozess entscheidend für die Inhaltsstoffkonzentration und –zusammensetzung der daraus gewonnenen Extrakte. So ist zum Beispiel die unterschiedliche Verteilung der Inhaltsstoffe auf die verschiedenen Pflanzenteile sowie deren unterschiedlicher Gehalt im Jahresverlauf zu berücksichtigen.
Aus diesem Grund hat sich einer der Hersteller von Christrosenprodukten entschieden, unter Beachtung des Artenund Bestandsschutzes ausschließlich Wildpflanzen zu verwenden und diese 2-mal jährlich zu ernten: im Winter die vollständig geöffneten Blüten einschließlich der Stängel, im Juni die Blätter mit Rhizom. Nach Extraktion der aus Sommerund Winterernte gesammelten Pflanzenteile werden die daraus gewonnenen Urtinkturen dann in einem speziellen Strömungsverfahren miteinander vermischt und unter Berücksichtigung rhythmischer Prozesse in verschiedene Verdünnungsstufen potenziert, steril filtriert und in Ampullen zur subkutanen Injektion abgefüllt.
Der Vielseitigkeit ihrer pharmakologisch interessanten Inhaltsstoffe verdankt die Christrose ihr großes Heilpotenzial.
Ihre pharmakologische Besonderheit weckte früh das Interesse von Heilkundigen wie Hippokrates, Paracelsus oder Hildegard von Bingen, und so wurde Helleborus niger bereits im Altertum als Mittel gegen Krankheiten wie Wahnsinn, Epilepsie und Wassersucht, später auch als Herz-, Hirn-, Uterus- und Nierenmittel eingesetzt.
Heute gilt Helleborus niger als wertvolle Unterstützung zur Verbesserung der Lebensqualität und wird bevorzugt in der Palliativmedizin eingesetzt, wenn die Krebserkrankung mit starker Unruhe oder Ängsten einhergeht und wenn Patient:innen zur Ruhe kommen und Halt finden sollen. Aufgrund ihrer entzündungshemmenden und diuretischen Eigenschaften kann sie auch bei einer entzündlichen Symptomatik im Rahmen des Krebsgeschehens zur Entlastung beitragen, unter anderem bei Hirntumoren und -metastasen, bei Lungentumoren und -metastasen mit pulmonaler Symptomatik wie Dyspnoe, erschwerter Mukolyse oder Hämoptysen, sowie bei Aszites, Pleuraerguss und Lymphödemen.
 
Anwendung
Helleborus niger wird in verschiedenen Darreichungsformen angeboten. Speziell in der begleitenden Krebstherapie ist Helleborus niger als Pflanzenextrakt in verschiedenen Verdünnungsstufen erhältlich, welcher 2–3 x wöchentlich bis zu 1 x täglich subkutan in den Bauch oder Oberschenkel injiziert wird. Die subkutane Injektion kann nach entsprechender Schulung auch von Patient:innen selbstständig durchgeführt werden. Da die Anwendung als Therapiestandard der Anthroposophischen Medizin bei malignen Tumoren zählt, kann in der palliativen Tumorsituation eine GKV-Verordnung zur Verbesserung der Lebensqualität erfolgen (§12 Abs. 6 AM-RL in Verbindung mit Pos. 32, Anlage 1).
Quelle: Daniela Mackert: Medical Writerin, Medizinjournalistin, Pharmazeutin. www.pharmawords.de

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