Forschungsergebnisse aus Hundertjährigen-Studien

Naturmedizin 5/2022

Dankbarkeit, Zufriedenheit und clevere Bewertung von Problemen

Menschen, die 100 Jahre oder älter sind, sehen sich einerseits konfrontiert mit vielen gesundheitlichen Problemen, sozialen Verlusten und oft auch kognitiven Einschränkungen. Auf der anderen Seite haben sie meist ein erstaunlich hohes Niveau an Lebenszufriedenheit und sind eher selten depressiv. Wie passt das zusammen? Welche psychologischen Mechanismen spielen dabei womöglich eine Rolle?
Professorin Daniela Jopp, Psychologin an der Universität Lausanne, hat bereits Hundertjährigen-Studien in Deutschland und in den USA durchgeführt und betreut aktuell eine Studie in der Schweiz, die auch in den Blick nimmt, wie alte Menschen die Pandemie erlebt haben. „Mit diesen Studien möchten wir auch zeigen, wie unterschiedlich 100-jährige Leben sind und welche kulturellen und gesellschaftlichen Aspekte zu einem hohen Alter beitragen, um so eine realistischere und positive Perspektive zu ermöglichen“, erklärt die Psychologin. Auf der einen Seite ist ein hundertjähriges Leben stark von gesundheitlichen Einschränkungen geprägt: 94 % dieser sehr alten Menschen haben zum Beispiel Seh- und / oder Hörprobleme, 72 % Mobilitätserkrankungen und 60 % muskuloskelettale Erkrankungen – das ist ein Ergebnis aus der 2. Heidelberger Hundertjährigen-Studie.
„Ebenso haben wir festgestellt, dass die kognitive Leistungsfähigkeit bei den heute Hundertjährigen besser ist“, sagt Professorin Daniela Jopp. Auch die Bedeutung sozialer Netzwerke für sehr alte Menschen wurden in den Studien untersucht.
Gesundheitliche Probleme, kognitive Einschränkungen, soziale Verluste von Partner:innen, Freund:innen, oft auch Kindern – da ist die Frage berechtigt: Lebensqualität mit 100 – geht das überhaupt? „Die vielleicht zunächst überraschende Antwort ist: Ja, das geht sehr wohl! Dies belegen verschiedene Hundertjährigen-Studien“, sagt Daniela Jopp.
So hat die US-amerikanische Fordham- Studie aus New York zum Beispiel gezeigt, dass Hundertjährige relativ selten Depressionen haben. In der 2. Heidelberger Studie gaben mehr als 80 % der Hundertjährigen zudem an, dass sie zufrieden mit ihrem Leben seien. Die Lebenszufriedenheit ist dabei im Vergleich mit der Gruppe der 80- bis 95-jährigen Menschen sogar höher.
Ein wichtiges Forschungsinteresse von Daniela Jopp ist, welche psychologischen Mechanismen dazu führen, dass Hundertjährige trotz ihrer oft widrigen Umstände so positiv durchs Leben gehen. „Ältere Menschen setzen eher auf kognitive Strategien, mit denen sie ein Problem umbewerten. Sie konzentrieren sich nicht auf ihren Gesundheitszustand, sondern eher darauf, dass sie am Leben sind – und schätzen dies.“ So haben Studien zum Beispiel auch ergeben, dass Hundertjährige optimistischer sind als die Gruppe der 80- bis 95-Jährigen.
Quelle: Pressemitteilung: Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG), Torben Brinkema

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