Typ-2-Diabetes

Naturmedizin 5/2020

Tageszeitliche Rhythmik des Darm-Mikrobioms eingeschränkt

Zertifizierte Fortbildung
Im Tagesverlauf verändern sich Anzahl und Zusammensetzung der im Darm des Menschen aktiven Bakterien, das so genannte Darmmikrobiom. Dies haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Federführung der Technischen Universität München (TUM) am Zentralinstitut Food & Health (ZIEL) in Freising in einer der größten Studien zum Thema Mikrobiom und Diabetes mit mehr als 4.000 Personen gezeigt. Bei Typ-2-Diabetikern jedoch gehen diese tageszeitlichen Schwankungen verloren.
Die mikrobielle Zusammensetzung des Darms ist komplex und individuell sehr unterschiedlich. Viele Faktoren, wie Umwelteinflüsse, Lebensstil, Genetik oder Erkrankungen beeinflussen das Ökosystem der hilfreichen Bakterien im Darm. Dirk Haller, Professor für Ernährung und Immunologie an der TUM, und sein Team haben die Bedeutung tageszeitlicher Schwankungen des Mikrobioms im Zusammenhang mit der Erkrankung Diabetes Typ 2 bei mehr als 4.000 Personen analysiert und damit die erste Studie auf diesem Gebiet mit humanen Probanden vorgelegt.
 
Tageszeitliche Rhythmik
„Um festzustellen, ob Änderungen im Darmmikrobiom Rückschlüsse auf Erkrankungen erlauben, bedarf es sogenannter prospektiver Kohortenstudien“, sagt Prof. Haller. In solchen prospektivvorausschauenden Kohortenstudien wird ein Querschnitt aus der Bevölkerung beobachtet, ohne dass die Teilnehmer irgendwelche Symptome einer Krankheit zeigen. Die Population wird im Laufe der Zeit nachbeobachtet. So lässt sich erkennen, ob eine bestimmte Beobachtung typisch für das spätere Auftreten einer Erkrankung ist. „Wenn bestimmte Darmbakterien keine tageszeitliche Rhythmik aufweisen, sich also in Zahl und Funktion im Laufe des Tages nicht verändern, kann man auf eine mögliche Erkrankung mit Typ-2-Diabetes schließen. Dieses Wissen verbessert sowohl die Diagnose als auch Prognostik von Typ-2-Diabetes“, sagt Chronobiologin Dr. Silke Kiessling, die ebenfalls an der Studie beteiligt ist. Diese Bakterien, die sich im Tagesverlauf nicht mehr verändern, also arrhythmisch sind, sind Marker für eine potenzielle Erkrankung. Die Forschenden nennen dies eine Risikosignatur. „Auch mathematische Modelle zeigen, dass diese mikrobielle Risikosignatur, die aus arrhythmischen Bakterien besteht, zur Diagnose von Diabetes mit beiträgt“, so die Erstautorin Sandra Reitmeier.
Primär wurden die Daten aus einer bestehenden unabhängigen Kohorte des Helmholtz Zentrums München analysiert. Die Ergebnisse zum Diabetes wurden mit weiteren Kohorten aus Deutschland validiert. „Aus dem Vergleich mit Kohorten in England konnten wir zeigen, dass unter anderem der regionale Einfluss auf das mikrobielle Ökosystem erheblich ist. Demnach ergibt sich der Bedarf, lokal spezifische arrhythmische Risikosignaturen zu finden“, erklärt Haller.
Der Ernährungswissenschaftler betont: „Neben Bakterien und deren Unterschieden je nach Tageszeit spielen noch weitere Parameter wie der Body-Mass-Index eine Rolle, um ein späteres Erkranken einer Person besser vorhersagen zu können.“
 
Zeitangaben wichtig
Eine Angabe zur Tageszeit der Stuhlprobennahme in der Humanforschung kann die Diagnose von Erkrankungen stark beeinflussen. „Die Dokumentierung dieser Zeitangaben ist zur Verbesserung von Risikomarkern essenziell“, ist sich Prof. Haller sicher. Die Untersuchungen untermauern die Hypothese, dass Veränderungen im Mikrobiom einen Einfluss auf ernährungsrelevante Erkrankungen haben. Welchen Einfluss eine Darmflora, die sich im Tagesverlauf (nicht) verändert, auf andere mikrobiomassoziierte Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Darmkrebs hat, könnte das Thema weiterer Forschungen werden.


Hinweis: Dieser Artikel ist Teil einer CME-Fortbildung.

Quelle: Reitmeier S et al.: Arrhythmic gut microbiome signatures predict risk of type 2 diabetes. 2020. (Pressemitteilung TUM, 6.7.2020) Cell Host & Microbe. doi: 10.1016/j.chom.2020.06.004

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