Naturmedizin 2/2022

„Mehr Fokus auf die Darm-Lungen-Achse“

Welche Rolle können Probiotika für die Immungesundheit, im Speziellen bei Atemwegsinfekten wie Covid-19, spielen und welchen Patient:innen können sie besonders nützen? Fakt ist: Probiotische Bakterienstämme erzielen Effekte – und nicht nur im Darm. Denn über die Darm-Lungen- Achse steht das Verdauungsorgan mit dem Atemorgan in einer Wechselbeziehung. „Diese Achse, die durch das Mikrobiom und Immunzellen vermittelt wird, hat ihre Bedeutung bei bestimmten Atemwegserkrankungen bewiesen“, erklärte Prof. Stephan Bischoff vom Institut für Ernährungsmedizin und Prävention der Universität Hohenheim auf einer Pressekonferenz der Firma Dr. Kade. Dass spezielle Bakterienstämme, insbesondere Lactobacillus plantarum CECT 30292, auch im Hinblick auf das Coronavirus hilfreich sind, konnte eine mexikanische Forschungsgruppe in einer aktuellen Studie nachweisen.
Welche Bedeutung haben die Darm- Hirn-Achse, die Darm-Leber-Achse bzw. die Darm-Lungen-Achse für unsere Gesundheit?
Die Kommunikation des Darms geschieht über Darmbakterienmetaboliten, Darmhormone, Darmnervenzellen und Immunzellen des Darms. Wesentliche Kommunikationspartner des Darms sind die Leber, die Lunge und das Gehirn. Daraus haben sich die Begrifflichkeiten Darm-Leber-Achse, Darm-Lungen-Achse und Darm-Hirn- Achse etabliert. Die Darm-Lungen-Achse wurde erst kürzlich „entdeckt“. Diese Verbindung wird über Darmbakterienmetabolite wie kurzkettige Fettsäuren und Darmimmunzellen, die durch Darmbakterien geprägt wurden und in Richtung Lunge auswandern, vermittelt. Man vermutet, dass die Darm-Lungen-Achse bei chronischen Lungenerkrankungen wie COPD oder Infektionen eine Rolle spielt. Die Darm-Hirn-Achse wird ebenfalls über Darmbakterienmetabolite wie kurzkettige Fettsäuren, aber auch durch Darmhormone und nervale Impulse, z. B. über den Vagus-Nerv, vermittelt. Die hat, so nimmt man an, eine Bedeutung für zerebrale Erkrankungen wie Autismus, Angstzustände, Depressionen und chronischen Schmerz.
 
Untersuchungen zeigen, dass die Einnahme von probiotischen Bakterienstämmen bei der Behandlung und Prävention einfacher Atemwegsinfekte wirksam sein kann. Wie ist der aktuelle Stand der Forschung zu probiotischen Bakterienstämmen in Bezug auf COVID-19?
Meta-Analysen zeigten, dass eine Darmtherapie mit Probiotika zur Prävention und Behandlung von unkomplizierten Infekten der oberen Atemwege bei Kindern und Erwachsenen wirksam ist. Dies gilt z. B. bei Influenza- Infektionen und trägt zur Verbesserung der Immunantwort auf eine Influenza- Impfung bei älteren Menschen bei. Zunehmend wird auch zum Thema COVID-19 und Probiotika geforscht. Über 60 Publikationen sind dazu in der Datenbank Em-base/Medline gelistet, 29 laufende Studien finden sich in clinical. trials.gov, davon sind 8 abgeschlossen. Allerdings handelt es sich vorwiegend um eher kleine Pilotstudien, die keine robusten Schlussfolgerungen erlauben. Kürzlich ist aber eine größere prospektive, kontrollierte, klinische Studie publiziert worden, die an 300 ambulanten und symptomatischen COVID-19-Patienten zeigt, dass die Kombination aus 4 Bakterienstämmen (3 x L. plantarum und P. acidilactici) wirksam ist. Die Probiotika- Gabe erhöhte die Remissionsrate, verkürzte die mediane Zeit bis zur Symptomfreiheit (13 versus 18 Tage) und führte zu einem stärkeren Anstieg von SARS-CoV2 spezifischen IgM- und IgG-Antikörpern.
 
Wie beeinflusst das Darmmikrobiom die Antikörperbildung? Und was bedeutet das für die Immunantwort nach einer Impfung?
Es konnte nicht nur gezeigt werden, dass durch ausgewählte probiotische Therapien die Immunantwort auf eine Influenza-Impfung bei älteren Menschen verbessert wird, sondern auch dass eine Probiotika-Gabe zu einem stärkeren Anstieg von SARS-CoV2 spezifischen IgM und IgG führt. Die Mechanismen sind noch unklar, aber es wird vermutet, dass die B-Zell-Immunität durch die probiotische Therapie getriggert wird.

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