Nervensystem und Psyche

Naturmedizin 4/2018

Meditation und Achtsamkeit

Meditation und Achtsamkeit bekommen zurzeit eine enorme mediale Aufmerksamkeit. Wenn man die zahlreichen Berichte liest, entsteht der Eindruck, dass es sich um ein Allheilmittel handelt. Welche Wirkungen gelten aber als nachgewiesen?
Beispiel Atemachtsamkeitsmeditation – grober Ablauf
(Dauer ca. 10 bis 20 Minuten)

Sie nehmen eine aufrechte Körperhaltung ein, beispielsweise auf einem Meditationsbänkchen oder auf einem normalen Stuhl. Die Hände ruhen auf den Oberschenkeln oder im Schoß. Die Augen können Sie schließen oder den Blick sanft auf einen Punkt vor sich auf den Boden richten, ohne etwas Bestimmtes zu betrachten. Nun lassen Sie die Aufmerksamkeit nach und nach durch den Körper wandern. Dann bringen Sie sie zur Atemempfindung. Sie spüren dem natürlichen Fluss nach, ohne ihn zu verändern. Lenken Sie die Aufmerksamkeit auf Körperstellen, an denen der Atem besonders gut spürbar ist: Nasenlöcher, Brustkorb oder Bauchdecke. Nehmen Sie die Atemqualität wahr, kurz, lang, tief oder flach – ohne zu bewerten. Die Gedanken wandern gerne in die Vergangenheit oder in die Zukunft. Das ist normal. Wenn Sie es wahrnehmen, geleiten Sie die Aufmerksamkeit immer wieder wohlwollend in den gegenwärtigen Moment, in das Hier und Jetzt, zu diesem Atemzug. Zum Ende öffnen Sie die Augen, bewegen sich etwas oder recken und strecken sich (3, 4).

Meditation wird seit Jahrtausenden von Mystikern und Weisen verschiedener Kulturen und Religionen zur Selbsterkenntnis, Bewusstseinserweiterung und Heilung verwendet. Der Begriff „Meditation“ fasst dementsprechend sehr unterschiedliche Ansätze zusammen, vom Singen von Mantras, über die transzendentale Meditation bis hin zur modernen Achtsamkeitsmeditation. Auch der Begriff „Achtsamkeit“ mit seinem inflationären Gebrauch in den Medien ist nicht eindeutig. Deswegen lohnt es sich, zunächst nach fundierten Definitionen zu schauen.
Zwei renommierte Meditationsforscher, Walsh und Shapiro, schlagen folgende Definition vor: „Der Begriff ‚Meditation’ bezieht sich auf eine Ansammlung von Selbstregulationspraktiken, die das Training von Aufmerksamkeit und Gewahrsein in den Mittelpunkt rücken, um mentale Prozesse unter größere willentliche Kontrolle zu bringen und dabei generelles geistiges Wohlbefinden und geistige Entwicklung sowie spezifische Fähigkeiten wie Ruhe, Klarheit und Konzentration zu fördern (1).“
Jon Kabat-Zinn hat die Achtsamkeit Ende der 1970er-Jahre in den USA aus ihrem ursprünglichen buddhistischen Kontext gelöst und sehr erfolgreich im klinischen Kontext eingesetzt. Für ihn bedeutet Achtsamkeit, „auf eine besondere Art und Weise aufmerksam zu sein: absichtlich, im gegenwärtigen Moment und nicht wertend (2).“
Von einer Achtsamkeitsmeditation kann man also sprechen, wenn der Aufmerksamkeitsfokus in der Meditation auf das gerichtet ist, was momentan im Erleben auftaucht, auf die Erfahrungen im gegenwärtigen Moment. Ein häufig genutztes Objekt der Aufmerksamkeit ist die Atemempfindung (siehe Kasten).
 
Forschung
 
In den letzten 20 Jahren ließ sich eine exponentielle Zunahme der Forschungstätigkeit zu Meditation und Achtsamkeit beobachten (siehe Tabelle). Ein neuer Wissenschaftszweig hat sich gebildet. Über Verfahren wie Magnetresonanztomographie und Elektroenzephalogramm werden Auswirkungen der Meditation auf Struktur und Funktion des Gehirns untersucht. In klinischen Studien werden Effekte auf Verhalten und Erleben und verschiedene Gesundheitsstörungen gemessen.
Besonders gut erforscht und als wirksam belegt ist die von Jon Kabat-Zinn entwickelte Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (engl. Mindfulness-Based Stress Reduction – MBSR). Das Programm ist standardisiert und wird acht Wochen lang durchgeführt. Die Teilnehmer absolvieren wöchentlich eine zweieinhalbstündige Gruppensitzung, eine tägliche Eigenübungspraxis von 45 Minuten und einen abschließenden Übungstag in Stille. Elemente aus der Achtsamkeitspraxis werden mit Yogaübungen kombiniert, z. B.:
  • Sitz- und Gehmeditation
  • Achtsame Körperwahrnehmung (Bodyscan)
  • Sanftes Ausführen von Yogastellungen

Die Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie (engl. Mindfulness- Based Cognitive Therapy, MBCT) verbindet Elemente der Achtsamkeitsbasierten Stressreduktion mit Maßnahmen der Kognitiven Verhaltenstherapie. Ein Ziel der Therapie ist die Vorbeugung von Rückfällen bei Depressionen. Auch die Wirksamkeit der MBCT gilt inzwischen durch zahlreiche Studien als wissenschaftlich gut belegt.

 

 

Lesen Sie den ganzen Artikel

Fachgruppen-Login


Zugangsdaten vergessen?

Alle im Rahmen dieses Internet-Angebots veröffentlichten Artikel sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch Übersetzungen und Zweitveröffentlichungen, vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung, Verlinkung oder Weiterverbreitung in jedem Medium als Ganzes oder in Teilen bedarf der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

x