Wie Bakterien Krankheiten modulieren und therapieren

Naturmedizin 1/2018

Das intestinale Mikrobiom

Zertifizierte Fortbildung
Ein Ungleichgewicht des intestinalen Mikrobioms ist mit einer Vielzahl gesundheitlicher Störungen assoziiert. Therapeutische Strategien, die dieses Wissen in einer breiten klinischen Anwendung nutzen, müssen aber noch entwickelt werden. Die verfügbaren Erkenntnisse verändern und erweitern das Verständnis von Gesundheit und Krankheit jedoch schon heute enorm. Ein Blick aufs große Ganze ist notwendig, um die (wenigen) bereits heute therapeutisch nutzbaren Mikrobiomerkenntnisse einordnen zu können.
Mikroben existieren nur selten isoliert. So bewegt sich die Erforschung der menschlichen Mikrobiologie allmählich weg von der Betrachtung einzelner Spezies und sucht stattdessen nach neuen Wegen, die unzähligen Verbindungen und Zusammenhänge der bakteriellen „Untermieter“ im menschlichen Körper im Zusammenspiel mit dem Wirtsorganismus nachzuvollziehen. Von besonderem Interesse ist diesbezüglich der Darm, in dem sich eine besonders hohe Zahl mikrobieller Spezies finden lässt. Sind diese in ihrer Zusammensetzung und Funktion gestört, kann das nicht nur zu lokalen gastroenterologischen Erkrankungen, sondern auch zu neurologischen, respiratorischen, metabolischen, hepatischen und kardiovaskulären Störungen führen.
 
Mikrobielles Ökosystem Darm
 
Wie man heute weiß, beherbergt der menschliche Gastrointestinaltrakt mehrere Billionen Bakterien. Bei der Katalogisierung des humanen fäkalen mikrobiellen Metagenoms konnten insgesamt 9,9 Millionen mikrobielle Gene identifiziert werden.
Die mehr als eine Milliarde Jahre dauernde Koevolution von Säugetieren und Mikroben führte zur wechselseitigen Abhängigkeit. Aufgrund dieser Entwicklungsgeschichte spielt die Darmmikrobiota eine entscheidende Rolle bei einer Vielzahl von Prozessen:
  • Reifung und andauernde Anpassung der Immunantwort des Wirts
  • Schutz gegen pathogene Überwucherung
  • Beeinflussung der Proliferation und Vaskularisierung der Zellen des Wirtsorganismus
  • Regulierung der intestinalen hormonellen Funktionen, neurologische Signalverarbeitung und Knochendichte
  • Bereitstellung von 5 bis 10 % des täglichen Energiebedarfs des Wirts
  • Biosynthese von Vitaminen, Neurotransmittern und anderen Verbindungen (mit bisher unbekannten Zielen)
  • Metabolisierung der Gallensalze
  • Reaktion auf und Modifizierung bestimmter Arzneistoffe
  • Eliminierung exogener Toxine
Die Relevanz dieser mikrobiellen Aktivitäten für die Gesundheit variiert wahrscheinlich in der menschlichen Bevölkerung. Angesichts des vielfältigen Funktionsrepertoires der Darmmikrobiota steht sie im Mittelpunkt der Forschung zu einer breiten Palette chronischer Krankheiten wie Krebs und Krankheiten mit entzündlichen, metabolischen, kardiovaskulären, autoimmunen, neurologischen und psychiatrischen Komponenten.
 
Darmmikrobiota im Wandel der Lebenszeit
 
Die In-utero-Umgebung ist nicht steril. Das Kind wird schon vor der Geburt mikrobiell geprägt. Die Art der Geburt beeinflusst die postnatale mikrobielle Exposition: Ein vaginal geborenes Kind ist der vaginalen und analen Flora der Mutter ausgesetzt, ein Kaiserschnittkind kommt zuerst mit den Handschuhen des Operateurs in Kontakt. Eine Studie zeigte, das vaginal geborene Kinder eine der Mutter ähnliche Darmflora aufweisen. Um die genaue Quelle der neonatalen Darmmikrobenvielfalt zu bestätigen, sind aber noch weitere Analysen notwendig.
Mit Beendigung des Stillens (nicht gleichzusetzen mit der Einführung fester Nahrung) passt sich die Zusammensetzung der kindlichen Darmflora an die der Erwachsenenmikrobiota an.
In den ersten Lebensjahren nimmt die bakterielle Diversität und funktionelle Kapazität der Darmmikroben zu. Im Säuglingsalter expandiert die bakterielle Diversität sehr rasch, verlangsamt sich dagegen aber zwischen dem ersten und fünften Lebensjahr und bleibt insgesamt geringer als bei Erwachsenen. Dabei wird die Zusammensetzung der Darmmikrobiota stabiler, immer mehr Bacteroidetes etablieren sich.
Im Alter von sieben bis zwölf Jahren ist zwar die Anzahl der Darmbakterien ähnlich hoch wie im Erwachsenenalter, aber in Zusammensetzung und Funktion verschieden. Die präadoleszente Darmflora ist angereichert mit Bakterien der Familien Anaerovorax, Bifido, Faecali und Lachnospiraceae. Im Vergleich zur Darmflora von Erwachsenen fällt auch die erhöhte Vitamin-B12- und Folatbiosynthese des kindlichen Darmmikrobioms auf.
Das intestinale Mikrobiom des Erwachsenen ist im Vergleich mit der des Kleinkindes stabil. Eine gesunde adulte Darmmikrobiota wird von Bacteroidetes und Firmicutes dominiert, enthält aber auch kleinere Anteile von Actinobacteria, Proteobacteria, Verrucomicrobia, methanogene Archaea (Methanbildner), Eucarya (überwiegend Hefen) und verschiedene Phagen.
Die spezifischen mikrobiellen Arten und Unterarten sowie ihre Anteile variieren aber enorm von einer Person zur anderen.
Die mikrobielle Zusammensetzung jedes Menschen ist einzigartig. Trotzdem ist die funktionelle Kapazität des Darmmikrobioms bei gesunden, erwachsenen Personen relativ konstant. Sie ist an Stoffwechselvorgängen, Fermentation, Methanbildung, oxidativer Phosphorylierung und Biosynthese von Lipopolysacchariden beteiligt.
Ältere Menschen wiederum haben eine weniger vielfältige und in ihrer Zusammensetzung eher instabile Darmflora, was mit verschiedenen altersbedingten Phänomenen – wie der Änderung der Ernährungsgewohnheiten – zusammenhängt.
 

 

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