Gewissensfrage bei exazerbierter COPD

Naturmedizin 1/2020

Antibiotikum verschreiben oder nicht?

Vor der Frage, ob ein Patient mit Atemwegsproblemen antibakterielle Substanzen erhalten soll, stehen vor allem Hausärzte tagtäglich. Oft wird beklagt, dass sie zu schnell zum Rezeptblock greifen. Ein unnötiger Einsatz hat aber bekanntermaßen eine Reihe negativer Folgen.
In der Krankengeschichte von 2 % der britischen Erwachsenen findet sich die Diagnose einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Rund die Hälfte der Menschen, bei denen eine COPD besteht, erleiden innerhalb eines Jahres mindestens eine akute Exazerbation; zwei oder mehr sind es bei einem Viertel von ihnen. Eine solche Komplikation zieht den Einsatz von Glukokortikoiden, Antibiotika oder eine stationäre Aufnahme nach sich. Antibiotika bekommen in den USA und Europa mehr als 80 % der Patienten in diesem Stadium.
Man schätzt, dass COPD-Exazerbationen in rund 20 % der Fälle auf nicht infektiösen Faktoren beruhen. Die Entscheidung, Antibiotika zu geben oder nicht, wird in der Regel aufgrund klinischer Kriterien gefällt. Diese Merkmale sind aber zu ungenau, um danach zu beurteilen, ob ein Patient wirklich von Antibiotika profitiert.
 
Schädliche Praxis
Der vielfach geübte unangebrachte Einsatz von Antibiotika kann Resistenzen von Bakterien fördern, er verschleißt Ressourcen, kann unnötige Nebenwirkungen provozieren, das Mikrobiom des Patienten derangieren und dazu führen, dass effektivere Therapieoptionen außer Acht gelassen werden. Viele Gremien, von staatlichen und ärztlichen Organisationen bis zu Pharmafirmen, propagieren statt einer „empirischen“ Therapie den Einsatz von Point-of-care-Tests, die das Vorliegen einer akuten Infektion anzeigen, die eine Antibiotikagabe rechtfertigt. Sie wurden vielfach evaluiert, aber dabei hatte man meist nur die analytische Performance im Blick, nicht den Nutzen für den Patienten, beklagen die Autoren einer Arbeitsgruppe aus mehreren europäischen Ländern, überwiegend aus Großbritannien. Das C-reaktive Protein (CRP) gehört zur Gruppe der Akute-Phase-Proteine, die eine aktuelle Entzündung anzeigen (allerdings nicht beweisen, dass Bakterien daran schuld sind, die auf Antibiotika ansprechen könnten). Eine randomisiert-kontrollierte Studie hatte bereits gezeigt, dass sich bei Patienten mit einer akuten Exazerbation einer COPD, deren CRP unter 40 mg/l liegt, der Therapieerfolg kaum unterscheidet, ob sie ein Antibiotikum oder Placebo bekamen. Daten zur klinischen Effektivität eines Point-of-care-Tests auf CRP fehlten bisher allerdings. Um diese Lücke zu füllen, wurde nun eine offene randomisiert-kontrollierte Studie aufgelegt, für die 653 Patienten mit COPD im Stadium einer akuten Exazerbation aus 86 hausärztlichen Praxen Großbritanniens rekrutiert wurden. Um bei ihnen die Frage einer antibiotikabedürftigen Infektion abzuklären, stellte der Hersteller eines Desktop-Gerätes für die Schnellbestimmung von CRP solche Systeme zur Verfügung. Die Patienten sollten die „übliche“ Behandlung oder aber eine solche nach Maßgabe der CRP-Bestimmung erhalten. Im letzteren Fall sollte bei einem CRP-Wert unter 20 mg/l auf Antibiotika verzichtet werden; im Bereich 20 bis 40 mg/l kamen Antibiotika infrage, vor allem wenn eitriges Sputum abgesondert wurde; bei CRP über 40 mg/l sah man Antibiotika auf jeden Fall als hilfreich an.
Zur Beurteilung der Intervention zog man die Angaben der Patienten über einen Antibiotikaeinsatz innerhalb von vier Wochen nach Randomisierung sowie die Veränderung des COPD-Status innerhalb von zwei Wochen heran.
In der CRP-geleiteten Gruppe wurden gegenüber der Vergleichsgruppe signifikant seltener Antibiotika eingesetzt (57,0 % vs. 77,4 %). Der korrigierte mittlere Unterschied bei der Symptomatik nach zwei Wochen betrug – 0,19 Punkte zugunsten der CRP-Gruppe. Es fiel auf, dass in der CRP-Gruppe schon bei der ersten Konsultation signifikant weniger Antibiotika verschrieben wurden (47,7 % vs. 69,7 %).
In der Vergleichsgruppe starben zwei Patienten während der Studie; das hatte aber offenbar nichts mit der Teilnahme zu tun.
Während einer weiteren Beobachtungszeit von sechs Monaten wurden 8,6 % bzw. 9,3 % der Patienten mit bzw. ohne CRP-Messung stationär aufgenommen. Die Diagnose Pneumonie wurde bei 3,0 % bzw. 4,0 % gestellt. Bei beiden Parametern waren die Differenzen nicht signifikant. Auch bezüglich Nebenwirkungen der verabreichten Antibiotika sah man keinen relevanten Unterschied. Die Studie hatte ein offenes Design, d. h., es gab keine Scheintests auf CRP in der Kontrollgruppe. Das Wissen, dass getestet wurde, könnte per se zu einer Verbesserung des COPD-Status geführt haben.
Um die Frage zu klären, ob bei erhöhtem CRP tatsächlich Bakterien die Ursache einer Entzündung sind, wird manchmal zusätzlich Procalcitonin getestet. Eine Metaanalyse mit acht solchen Studien hatte keine eindeutigen Effekte ergeben. Allerdings waren die Probandenzahlen überwiegend klein.
Quelle: Butler CC et al.: C-reactive protein testing..N Engl J Med 2019; 381: 111-20
ICD-Codes: J44.9

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